Ein Fischer im Meer.
Geschäftsführer Peter-Mario Kubsch (2.v.l.) und zwei Mitarbeitende.
Ein Studiosus-Reisebus.
Als eine NGO 2015 in einem Bericht schrieb, Partner-Hotels von Studiosus „verbauten“ Fischern den Zugang zum Meer, organisierte Studiosus zur Prüfung der Vorwürfe einen Stakeholder-Dialog mit der einheimischen Bevölkerung.
Geschäftsführer Peter-Mario Kubsch (2.v.l.) sieht das menschenrechtliche Engagement von Studiosus als Teil eines nachhaltigen Geschäftsmodells.
Studiosus bietet Studienreisen in etwa 120 Länder weltweit an. Reisegäste sowie Reiseleiterinnen und –leiter werden zu konkreten Themen mit menschenrechtlichem Bezug sensibilisiert.
Der Reiseveranstalter Studiosus, der geführte Studienreisen in etwa 120 Länder weltweit anbietet, kann auf langjähriges Engagement für umweltfreundliches und sozial verträgliches Reisen zurückblicken und hatte dabei immer auch die Wahrung der Menschenrechte in Zielländern im Fokus. Angestoßen durch den Abschlussbericht des UN-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, John Ruggie, im Jahr 2011, intensivierte Studiosus die Bemühungen, das Thema noch stärker in den Geschäftsprozessen zu verankern.
Bei der Analyse der potentiell nachteiligen Menschenrechtsauswirkungen der Geschäftstätigkeit stand die Wertschöpfungskette in den Reiseländern im Vordergrund. Für jedes der bereisten Länder führte Studiosus ein eigenes Risiko-Assessment durch und konnte so die Länder und Regionen identifizieren, in denen die größten Menschenrechtsrisiken bestanden. Vor allem in den Bereichen menschenwürdige Arbeitsbedingungen, Schutz von Minderheiten und Kinderrechte ermittelte Studiosus Risiken.
Daraus abgeleitet entwickelte Studiosus Maßnahmen, um die Achtung der Menschenrechte während der Reisen und bei Leistungspartnern vor Ort sicherzustellen. Die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen und Kinderrechte wurde in den Verträgen mit allen Leistungspartnern wie Hotels oder Busunternehmen verankert. Um die Erfüllung dieser Vertragsbedingungen sicherzustellen, werden die Geschäfts- und Leistungspartner regelmäßig durch Online-Audits in Form von Selbstauskünften von Studiosus überprüft. Die Einführung des Auditverfahrens sei "erstaunlich einfach" gewesen und habe eine hohe Akzeptanz vonseiten der Leistungspartner erfahren, erzählt Peter-Mario Kubsch, der das Familienunternehmen in zweiter Generation führt. Die Fragen der Audits entwickelte Studiosus auf Grundlage der ILO-Kernarbeitsnormen und der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte.
Reiseleiter und Reisegäste werden für Menschenschenrechtsthemen sensibilisiert
Zur Prävention und Risikominderung schult Studiosus seine Reiseleiterinnen und Reiseleiter und stellt Reisenden vielfältige Informationsangebote zu den Menschenrechtsbedingungen im Gastland zur Verfügung. Die Reisegäste sowie Reiseleiterinnen und Reiseleiter werden zu konkreten Themen mit menschenrechtlichem Bezug sensibilisiert. Dazu gehören beispielsweise Leitlinien zum Fotografieren im Reiseland, die das Recht auf Privatsphäre der Menschen vor Ort im Kontext des Fotografierens erläutern und dessen Achtung einfordern.
Auch bei der Planung der Reiserouten berücksichtigt Studiosus Menschenrechtsaspekte. So stellt das Unternehmen sicher, dass die Busfahrer Pausen- und Ruhezeiten einhalten. Allein schon aus Sicherheitsgründen schreiben wir in den Verträgen mit Busunternehmen weltweit Pausenzeiten vor, die den
EU -rechtlichen Vorgaben entsprechen und damit oft über den Mindestanforderungen in den Zielländern liegen
, so Kubsch. Die Einhaltung der Auflagen wird durch die Reiseleiterinnen und Reiseleiter überwacht. Sie wird aber auch von den Leistungspartnern vor Ort inzwischen konsequent durchgesetzt, da diese die Erfahrung gemacht haben, dass Reiseleiterinnen oder Reiseleiter einen anderen Fahrer anfordern, wenn die verpflichtenden Ruhezeiten nicht eingehalten werden.
Steckbrief Studiosus Reisen München GmbH
- Branche: Tourismus
- Besonderer Fokus auf Kernelemente menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht:
- Maßnahmen zur Abwendung potenziell negativer Auswirkungen und Überprüfung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen (NAP-Kernelement 3)
- Beschwerdemechanismus (NAP-Kernelement 5)
- Website: Studiosus.com
Multi-Stakeholder-Dialoge mit Betroffenen in den Reiseländern
In jährlichen Länderseminaren berichten die Reiseleiterinnen und Reiseleiter von Erfolgen und Schwierigkeiten bei den von ihnen betreuten Reisen und gehen dabei insbesondere auf die menschenrechtliche Situation und eventuelle Vorkommnisse ein. Unregelmäßigkeiten, die über diese Seminare oder weitere Kanäle wie Audits oder NGO-Berichte offenkundig werden, geht Studiosus fallspezifisch nach, auch durch Vor-Ort-Überprüfungen. Beispielsweise veröffentlichte eine NGO im Jahr 2015 einen Bericht zur Menschenrechtssituation in Sri Lanka. Darin wurde der konkrete Vorwurf erhoben, dass Partner-Hotels von Studiosus Fischern den Zugang zum Meer "verbauten". Als Konsequenz suspendierte Studiosus vorübergehend den Vertrag mit einem Hotel und organisierte einen Stakeholder-Dialog mit der einheimischen Bevölkerung, an dem neben den beschwerdeführenden Fischern auch Gewerkschaftsvertreter und die Hotelleitungen beteiligt waren. Studiosus kam bei der Evaluierung zu dem Ergebnis, dass die Vorwürfe nicht zutrafen und nahm das Hotel wieder in sein Programm auf.
Der Stakeholder-Dialog war für uns ein wichtiges Instrument, um den Konflikt und die Begebenheiten vor Ort besser nachvollziehen zu können. Hätten wir direkt den Vertrag mit dem Hotel gekündigt und es dann dabei belassen, hätte das nicht zur Aufklärung der Vorwürfe beigetragen.
Die Erfahrungen aus dem Vorfall hat Studiosus auch in die Erarbeitung der "Handlungsempfehlungen zur Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfalt in fragilen Kontexten" einfließen lassen, die der Roundtable Human Rights in Tourism 2016 veröffentlicht hat. Der Roundtable wurde 2012 auf Mitinitiative von Studiosus gegründet und bringt Unternehmen, NGOs und Organisationen zusammen, die sich für die Achtung der Menschenrechte einsetzen.
Gemeinsam mehr erreichen und Herausforderungen begegnen
Das Engagement innerhalb der Tourismusbranche sieht Studiosus auch deshalb als entscheidend an, weil das Unternehmen als Einzelakteur beispielsweise bei der Forderung nach der Zahlung existenzsichernder Löhne wenig bewirken kann. Kubsch ist überzeugt, dass sein Unternehmen durch die branchenweite Zusammenarbeit durchsetzungsfähiger wird: Unser Ziel ist es, zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen beizutragen. Gemeinsam mit gleichgesinnten Unternehmen und Organisationen können wir da mehr erreichen.
Eine Herausforderung besteht nach wie vor in der Entwicklung effektiver Beschwerdemechanismen. Oft führten beispielsweise Beweggründe wie der, das Herkunftsland nicht in einem schlechten Licht erscheinen lassen zu wollen, dazu, dass Angestellte der Leistungspartner vor Ort etwaige menschenrechtliche Vorfälle nicht meldeten, so Kubsch. Außerdem können auch die Angst vor möglichen Sanktionen bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes oder fehlende Kenntnis über Meldestellen bewirken, dass nachteilige Auswirkungen auf die Menschenrechte nicht bekannt gemacht werden. Studiosus hat 2012 eine Meldestelle für Menschenrechtsangelegenheiten eingerichtet, der über verschiedene Kanäle (Post, Mail) menschenrechtliche Missstände im Umfeld von Studiosus-Reisen mitgeteilt werden können. Bisher sind über die Meldestelle jedoch keine validen Beschwerden eingegangen. Wir haben in der Branche noch keine gute Lösung gefunden, wie Beschwerdemechanismen effektiv umgesetzt werden können
, so Kubsch.
Studiosus sieht sein menschenrechtliches Engagement als Teil eines nachhaltigen Geschäftsmodells. So habe sich beispielsweise die Aufnahme von menschenrechtlichen Anforderungen in die Verträge mit Leistungspartnern positiv auf die Geschäftsbeziehungen ausgewirkt, da so ein wertebasiertes Vertragsverhältnis entstanden sei. Unser Grundverständnis des Tourismus baut darauf auf, dass wir Gast in fremden Ländern sind. Daher ist das sozialverträgliche Reisen fest in unserer Unternehmensphilosophie verankert. Dazu gehört auch als wesentlicher Bestandteil, dass wir die Achtung der Menschenrechte sicherstellen
, fasst Kubsch seine Überzeugung zusammen.
Hinweis
Die Inhalte der Texte wurden vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) nicht auf ihre Richtigkeit überprüft. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben übernimmt das BMAS daher keine Gewähr.