Wie können Unternehmen Künstliche Intelligenz (KI) nachhaltig und im Sinne der Beschäftigten einsetzen? Der promovierte Volkswirt und KI-Forscher Michael Stops über die revolutionäre Kraft von KI in der Arbeitswelt – und worauf Betriebe im Umgang mit der Technologie achten müssen.
Die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) schreitet schnell voran und bietet viele Chancen. Ob in der Medizin, in der Industrie oder im Straßenverkehr: Der Einsatz von KI-Systemen kann Arbeitsprozesse vereinfachen und die Sicherheit erhöhen. Allerdings birgt die Technologie auch Risiken, wie den Missbrauch von Daten oder einseitige Diskriminierung durch Algorithmen. Kritisch diskutiert wird auch der Einsatz von Gesichtserkennungssoftware. Es wird daher immer dringlicher, dass der Einsatz von KI nach ethischen Maßstäben erfolgt.
Die EU-Mitgliedstaaten haben am 21. Mai 2024 das weltweit erste Gesetz zur Regulierung von KI, die EU KI-Verordnung bzw. den Artificial Intelligence Act, verabschiedet. Am 1. August 2024 ist sie in Kraft getreten. Ziel dieser Verordnung ist es, die wirtschaftlichen Chancen von KI zu fördern und die Risiken zu minimieren. Die neuen Regeln zielen darauf ab, Grundrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie ökologische Nachhaltigkeit vor Hochrisiko-KI-Systemen zu schützen. Darüber hinaus verbietet die Verordnung KI-Systeme mit unannehmbarem Risiko und verpflichtet KI-Entwickler zu mehr Transparenz. Gleichzeitig soll sie Innovationen ankurbeln und dafür sorgen, dass die EU im KI-Bereich eine Führungsrolle einnimmt.
Die EU KI-Verordnung enthält Verbote für bestimmte KI-Anwendungen, wie z.B. die biometrische Kategorisierung und das gezielte Auslesen von Gesichtsbildern. Hochrisiko-KI-Systeme müssen bestimmte Anforderungen erfüllen – und von Menschen überwacht werden. Deepfakes (realistisch wirkende Medieninhalte, die durch KI-Techniken erzeugt oder verändert wurden) müssen gekennzeichnet werden. Die EU-Mitgliedsstaaten müssen KI-Reallabore einrichten. Diese Reallabore bieten eine kontrollierte Umgebung, um Innovationen zu fördern und die Entwicklung, das Training, das Testen und die Validierung innovativer KI-Systeme zu erleichtern.
Doch was bedeutet der Einsatz von KI für Unternehmen? Wie werden sich Berufe verändern – und mit welchen Maßnahmen können Betriebe dafür sorgen, dass sie KI zum Wohle ihrer Mitarbeiter*innen einsetzen? Dr. Michael Stops vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen zur KI-Revolution in der Arbeitswelt.
BMAS: Die Forscher Carl Benedikt Frey und Michael Osborne haben prognostiziert, dass durch KI 47 Prozent aller Jobs wegfallen könnten. Machen Sie sich Sorgen um Ihren Job?
Nein, das mache ich mir nicht. Ich mache mir auch nicht so viele Sorgen um andere Jobs, vor allem nicht in diesem Umfang. In der Studie sind ja vor allem die Potenziale von KI gemeint. Frey und Osborne treffen Vorhersagen über verfügbare, aber noch nicht überall eingesetzte Technologien. Solche Analysen sind nutzbringend, weil so die Diskussion um Automatisierung auf dem Arbeitsmarkt bereichert wird. Aber sie können nicht berücksichtigen, welche Tätigkeiten durch KI neu entstehen und ob es sich in jedem Bereich wirklich als sinnvoll und wirtschaftlich erweist, sie einzusetzen.
BMAS: Wo sehen Sie denn neue Jobs, die durch KI entstehen können? Was sind die Potenziale von KI?
Wir sehen erst einmal neue Tätigkeiten. Das fängt damit an, dass es Leute braucht, die das Wissen über neue KI-Tools erwerben und dann auch weitervermitteln. Und natürlich müssen solche Tools entwickelt, eingerichtet und gewartet werden. Zudem müssen die Ergebnisse, die so eine KI liefert, ja auch verstanden werden. Da entstehen also viele neue Tätigkeiten rund um KI-Tools. Zugleich verändern sich Tätigkeiten, Arbeitnehmer*innen müssen neue Programme erlernen und werden an vielen Stellen entlastet. Das führt nicht zwangsläufig zu völlig neuen Berufen, sondern eher zu neuen Berufsinhalten.
BMAS: Was sind die sozialen und ökonomischen Auswirkungen von KI in der Arbeitswelt?
Das hängt natürlich von den einzelnen Unternehmen ab, wie und ob sie KI anwenden. Aber KI bietet die Chance einer höheren Produktivität und damit sollten auch höhere Löhne verbunden sein. Möglich ist auch die Entlastung von Tätigkeiten, die man im Berufsalltag eher als belastend oder wenig anspruchsvoll empfindet. Das führt im besten Fall zu einer höheren Kreativität und einem höheren Output. Und es kann, wie eben gesagt, zu neuen, interessanten Berufen und Tätigkeiten führen, die viel weniger gesundheitsgefährdend sind.
ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Dr. Michael Stops
BMAS: Welche Berufe könnte KI denn weniger gesundheitsgefährdend gestalten?
In der Bauindustrie könnte zum Beispiel eine Kombination aus KI und Robotik als Bauhelfer dienen, damit Bauarbeiter*innen nicht mehr schwere Lasten tragen müssen und Baumaterialien schneller von A nach B kommen.
BMAS: Gibt es für Unternehmen und Arbeitnehmer*innen überhaupt die Möglichkeit, sich langfristig gegen KI zu entscheiden, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen?
Das hängt natürlich davon ab, wie frei man in seiner Arbeit ist. Aber ansonsten war es schon immer so, dass man sich an die Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt anpassen musste. Und das heißt verstärkt auch, dass man sich an technologische Entwicklungen im eigenen Bereich anpasst. Man konnte sich in der Vergangenheit ja auch nicht gegen das Erwerben von PC-Kenntnissen wehren.
BMAS: Wie lassen sich Unternehmen und Arbeitnehmer*innen von KI überzeugen, wenn sie ihr skeptisch gegenüberstehen?
Belegschaften werden Sie immer damit überzeugen können, dass KI sie entlastet. Es wird selten so sein, dass KI-Tools Angestellte ersetzen, momentan suchen wir ja eher händeringend Fachkräfte. Für Unternehmen dürfte die größte Hürde der Datenschutz sein: KI ist häufig eine Blackbox, man kann nicht immer sicher sein, wo die Daten landen. Da braucht es Vertrauen und auch eine gewisse Risikobereitschaft.
BMAS: Wie stellen Unternehmen sicher, dass KI für Mitarbeiter*innen und Kund*innen verantwortungsvoll eingesetzt wird?
Die letzte Instanz muss immer der Mensch bleiben. Er muss am Ende die Entscheidungen treffen, nicht die KI. Das hat auch den juristischen Hintergrund, dass Menschen haftbar sind, KI aber nicht. Je enger der Kreis der Nutzer*innen und je spezialisierter die Aufgabe der KI ist, desto einfacher ist es, Algorithmen und Filter zu implementieren, die bestimmte Dinge vermeiden. Zum Beispiel, dass Frauen im Recruiting benachteiligt werden. Je komplexer die Aufgaben werden, desto schwieriger wird es aber, ethische Standards einzuhalten – auch weil die überall auf der Welt unterschiedlich definiert werden. Deshalb kann man das eigentlich nur lösen, indem der Mensch die Kontrolle über die Ergebnisse behält.
Diplom-Volkswirt und Diplom-Verwaltungswirt (FH) Michael Stops war auch als Arbeitsvermittler im Arbeitsamt Chemnitz tätig. Von 2012 bis 2015 promovierte er an der Universität Regensburg (Dr. rer. pol.). Neben seiner Arbeit am IAB ist er Teil des Forschungsprojekts ai:conomics, das sich mit den Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt auseinandersetzt. Das Projekt wird vom BMAS gefördert.